Filisur - Davos
Stelle dir vor, du stehst vor 120 Jahren in der Zügenschlucht. Ein Visionär erzählt dir, er plane hier eine Bahnlinie Du würdest dir die Augen reiben und das Vorhaben als eine Sache der Unmöglichkeit bezeichnen. Doch als das Projekt der Scalettabahn mit einer Verbindung ins Engadin verworfen wird, suchen die Davo- ser den Anschluss an die Albulalinie. Mit grosser Kapitalbeteiligung und finanziellen Zuschüssen der umlie-genden Gemeinden sowie Privater wird der Streckenbau anfangs September 1906 in Angriff genommen. Drei Jahre später, am 1. Juli 1909, weiht die Festgesellschaft die 19 Kilometer lange Bahnlinie ein (siehe auch die Dokumente unter der Rubrik Zeitung Läckerlis Einweihungen).
Der Zug überfährt viele Brücken und Tunnels, das eindrücklichste Bauwerk ist der Wiesner Viadukt. Das Lehrgerüstes ist faszinierend. Und bereits jetzt ist erkennbar, wie harmonisch sich der Viaduktin die wilde Natur einbetten wird. Noch befindet sich das Lehrgerüst im Bau, das Stationsgebäude und einige Nebenge-bäude sind bereits fertiggebaut.
Auch sie wird hin und wieder
einen Zug über den Viadukt ziehen. 1896 liefert die SLM die beiden Mallet Lokomotiven Maloja mit der No. 23 und ihre Schwesterlok Chiavenna mit der No. 24. Beide erhalten eine Lauf achse unterhalb des Führer-standes; ein Versuch um mehr Laufruhe während der Fahrt zu erreichen. Die Idee war ziemlich gut, brachte jedoch nicht das ge-wünschte Ergebnis.
Bekannte Persönlichkeiten beteiligen sich am Brückenbau:
Entwurf Viadukt - Friedrich Hennings
Projektingenieur - Hans Studer
Bauleitung - Hans Studer, Peter Otto Saluz
Entwurf Lehrgerüst - Ingenieur Marasi
Berechnungen Lehrgerüst - Hans Studer
Bau Lehrgerüst - Richard Coray
Bauarbeiten - Froté Westermann Zürich
1907 erzwingt ein unerwarteter Arbeitskräfte - Mangel eine Erhöhung der Löhne. Die Baufirma Froté Westermann gerät in finanzielle Schwierig-keiten und muss die Arbeiten einstellen. Die neu gegründete Davos Filisur AG nimmt diese wieder auf und alle Vertragsarbeiten können unter der Leitung von Chefingenieur Marasi in geplanter Zeit beendet werden.
Hier eine identische Aufnahme des Lehrgerüstes vom Verlag Dietschi. Das fertig gestellte Bauwerk ist 89 Meter hoch und 210 Meter lang. Es besteht aus einem 3.7 Meter breitem Hauptbogen mit einer lichten Weite von 55 Meter sowie westlich zwei und östlich vier Nebenbögen a 20 Meter. Eine Besonder-heit ist, dass der westliche Brückenteil nicht gerade verläuft, sondern die beiden Nebenbögen stehen ver-setzt, so dass das Gleis eine Kurve aufweist. Bei In-genieuren löst der imposante Viadukt Aufsehen und Anerkennung aus. Die Brücke könnte heute weder besser noch schöner gebaut werden. Das Lehrgerüst wäre eine touristische Sensation.
Eine Mallet mit beachtlicher Anhängelast überquert den Via-dukt. Mit grosser Wahrschein-lichkeit handelt es sich um eine Probefahrt, denn mit so vielen Waggons könnte man sogar das Dorf Filisur nach Davos trans-portieren. Es ist auch möglich, dass die Pferdestärken der Mal- let. getestet werden. Noch steht das Gerüst des mittleren Portals, die Aufnahme dürfte wenige Tage nach der Einweihung vom 01. Juli 1909 entstanden sein.
Vermutlich am gleichen Tag photographiert J. Tomazweski diese Gesamtübersicht von der gegenüberliegenden Seite aus. Eindrücklich, wie viele Bäume für das Lehrgerüst gerodet wurden Die dazu benötigte Holzmenge wird mit 494m3 angegeben. Der Wald wird wie-der aufgeforstet und heute sind die durch den Bau verursach-ten Lücken verschwunden. Die Karte wird zwei Monate nach der Eröffnung abgestempelt.
In Davos Platz wird nebst der Vergrösserung der Bahnhofsanlagen eine neue Drehscheibe eingebaut. In Filisur entsteht eine kleine Anlage zum Unterhalt von Dampflokomotiven, eine Drehscheibe und einen Wasserkran. Die Züge verkehren teilweise direkt von Landquart über Davos bis Filisur. Ein Schnellzug fährt sogar bis St. Moritz und zurück, allerdings nur bis zum 1. Weltkrieg. Die markante Erhöhung der Brennstoffpreise zwingt die Rhätische Bahn, ihre Zugleistungen massiv einzuschränken.
Ein Dampfzug verlässt die Station Wiesen und fährt gleich in den Wiesentunnel II ein. Das Landwassertal wird nun eng,. Spektakulär ist der Bärentritt, ein 10 Meter langer Viadukt zwischen dem Wiesen II und dem Bärentritt-Tunnel Der Fels ist hier gut beschaffen, so dass es bei den Bohrungen keine Schwierigkeiten gibt. Wiesen liegt hoch über der Station. Be-kannt ist das Hotel Bellevue, welches seit 1873 Gäste beherbergt. Em-
pfehlen kann ich eine Wanderung von Davos Mon stein nach Filisur, die Schlucht ist fantastisch. Im gemütlichen Zügä Beizli kehrt man kurz ein, bestaunt den Wiesnerviadukt und zum Abschluss
des Tages präsentiert sich einige Kilometer weiter unten der graziöse Landwasserviadukt. Für die Bahnliebhaber ein Leckerli.
Jahre später, am gleichen Spot wie die oben aufgenommene Post-karte publiziert die Firma Brown & Broveri eine Ansicht mit dem neuen leistungsstarken Krokodil. Dafür werden der Lok viele Gü-terwagen angehängt. Anstelle des Schuppens neben der Brücke steht nun auch das Transformerhaus.
Das Krokodil ist unterwegs nach Davos.
Der Zug überquert den Brom-benzviadukt, wechselt die Tal-seite und fährt danach in den Brombenztunnel zwei ein. Der Lokführer kann dabei seine Dampflok locker gleiten lassen, denn das Streckengefälle von Monstein nach Wiesen ist kon- stant. Speziell an dieser Auf-nahme ist, dass der Photograph die Brücke von der Talseite her
aufnimmt; von dem her ist es eine seltene Ansichtskarte.
Eine Karte mit schönem Wald, interessanter ist aber der rechte Teil dieser Ansichtskarte.. Sie zeigt das Hüttenwerk Schmelz-boden, welches um 1811 gebaut wird. Daneben fährt ein länge-rer Zug mit eine G 3/4 am Gebäude vorbei und wird gleich die Zügenschlucht erreichen. 40 Jahre lang, bis 1850 hatten Bergwerker hier Erz abgebaut. Das Industriegebiet musste dann der Strasse und Bahn weichen.