Vom Talgrund aus gesehen ist die Höhe des Soliser Viadukts beeindruckend und die Enge der Schlucht beachtlich. Die Karte wird kurz nach der Eröffnung photographiert und mit kräftigen Farben nachcoloriert; die Männer im Vordergrund könnten wichtige Persönlichkeiten in Verbindung mit dem Brückenbau sein. Oberhalb des Viadukts errichtet der Kanton zur Wasserregulierung das Stauwehr Nisellas. Anfangs der 80er Jahre sieht die Elektrizitätslobby die Möglichkeit, die Schyn- schlucht für die Stromgewinnung zu nutzen und so wird von 1982-1986 das Kraftwerk Solis ge-baut. Die Betreiber haben aber immens mit dem Geschiebe zu kämpfen, welches die Albula in den Stausee spült, nur ein Viertel des Volumens kann jährlich ausgebaggert werden. Zur Lösung bauen die Eletrizitätswerke 2012 für 37 Millionen einen Geschiebeableitstollen. Doch zur Zeit dieser Auf-nahme gehört die Schynschlucht noch sich selbst und das viele Wasser plätschert munter das Tal hinunter.
Diese Karte ist in jeder Hinsicht ein Schmuckstück. Es ist die erste Serien-Ansichtskarte vom Bau der Albulabahn, welche Anton Reinhardt im Auftrag der Rhätischen Bahn aufgenommen hat. Und
es ist auch der erste Zug, welcher offiziell in Solis eintrifft. Vor dem Stationsgebäude steht ein klei-nes Podest, damit Persönlichkeiten sich gegenseitig gratulieren und den Bauzug offiziell willkommen heissen können. Für die eigentliche Eröffnungsfahrt mit der festlich geschmückten Lokomotive müssen
sich die Passagiere auf den Güterwagen mit einfachen Holzbänken begnügen.
Ein weiteres Bijou ist auch diese Aufnahme bei Solis. Die beiden Mallets verlas-sen die Station mit einer gewaltigen Rauchfahne in Richtung Thusis. Es ist ein Ereignis, wenn man auf eine solche Ansichtskarte trifft. Diese hier hat mir ein älterer Herr spontan angeboten, als ich auf ei- ner Messe einen Händler nach Karten der Albula-bahn fragte. Zufall?
Nun wird es eng und der Photograph wählt bei
der Aufnahme das Hochformat. So kommt die Tiefenwirkung besser zu Geltung. Nach der Station folgt der Solistunnel und der Lochtobelviadukt, der soeben von einem Zug talaufwärts überquert wird. Darüber befindet sich das Restaurant Calabria, in dem während des Bau die italienischen Gastarbeiter einquartiert sind. Im Gebäude ist von 1901 bis 1903 sogar ein eigenes Postbüro integriert, bei Sammlern sind dessen seltenen Poststempel begehrt.
Ein beliebtes Fotosujet ist die Ruine Campell oder Campi am Eingang der Schinschlucht. Errichtet wird die erste Anlage im 13. Jahrhundert, dann immer wieder erweitert und von verschiedenen herrschaftlichen Familien bewohnt. Seit 1700 steht die Burg leer, befindet sich jedoch noch in gutem Zustand. In den nachfolgenden Jahrzehnten setzt dann aber der langsame Zerfall ein und erst mit der Bahn, dessen Linie durch den äusseren Burg-graben gebaut wird, weckt die Ruine aus ihrem Dornröschenschlaf. 1932 erwirbt die Engadiner Familie Campell die Burg und vermacht diese 1987 der Stiftung Ruine Campi Diese setzt sich für die Erhaltung der sehenswerten Anlage ein.
An der gleichen Stelle fährt eine G 3/4 talwärts in Richtung Thusis. Diese einfache trotzige Burg passt bestens in die wilde Landschaft, heute stören die vielen Hochspannungsleitungen das schöne Ge-samtbild.
Nach der Durchfahrt der Schinschlucht erreicht der Zug das Domleschg, einen breiten offenen Talboden mit dem Städtchen Thusis. Hier trennt sich der Ver-kehr in Richtung Engadin
und San Bernardino und hier beginnt die eigentliche Albulabahn. Der talwärts-fahrende Zug überfährt
einen weiteren attraktiven
Bau: die Rheinbrücke.
Am 10. 12 1901 stellt die Rhätische Bahn einen 200 Tonnen schweren Zug mit drei Dampflokomotiven und vier voll beladenen Güterwagen zusammen. Ingenieure begutachten die Brücken-Belastungsgrenze deren 290t schweren
Eisenträger die gesamte Breite des Geröllbettes überquert So ist der Via-dukt auch bei Unwettern gut geschützt.
Der bekannte Fotograph aus Thusis, Jost. Guler photographiert die Brücken von einer Seitenflanke der Viamala Schlucht aus. Ein langer Personenzug mit zwei Dampfloks überquert den Hinterrhein und überwindet die erste Steigung in Richtung Solis.
Ein paar Fakten zu der Photodynastie Guler:
Romedo Guler beginnt in den 1870er Jahren in Davos zu fotographieren. Er führt zwischen 1870 und 1909 mehrere Geschäfte in Davos, Zürich, St, Moritz und Chur. Sein Sohn Jost wird ebenfalls Fotograph, zieht nach Thusis und eröffnet dort ein eigenes Geschäft, welches 1918 von seinem Sohne Romedo übernommen wird. Romedo Guler erkrankt früh an Multipler Sklerose und sein Sohn Chris-toph hilft deshalb schon in jungen Jahren im Ge-schäft aus, welches er 1964 übernimmt und bis 2000 weiterführt.
Der Basler Verlag Rathe Fehlmann photographiert die Rheinbrücke in Richtung Domleschg Die Eisenkon-struktion steht im Fokus. Ein längerer Personenzug erreicht nach einer weiteren Rechtskurve den Bahnhof Thusis; dem Zug ist eine G 4/5. Lok vorgespannt.
Als Kind konnte ich oft mitverfolgen, wenn ein Zug die Brücke überfuhr, der Lärm war amtlich. 1993 wird die neue Betonbrücke eingeweiht.
Thusis: Mächtig und trotzig stehen die Felswände beidseitig der Viamala Schlucht, welche stets von vielen Touristen besucht wird. Der Bahnhof liegt unterhalb des Dorfes. Zu Beginn der Rhätischen Bahn endet hier die Linie und bis 1903 müssen die Reisenden für die Weiterfahrt ins Engadin auf die Postkutsche umsteigen. Dessen Fahrt dauert 10 Stunden (Quelle LD- Fahrplan 1898).